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Ein Kommentar mit Haltung Rostock, Anfang Juni. Auf der Mole von Warnemünde stehen Admiräle in frisch gebügelten Uniformen und blicken
Ein Kommentar mit Haltung
Rostock, Anfang Juni. Auf der Mole von Warnemünde stehen Admiräle in frisch gebügelten Uniformen und blicken bedeutungsschwer auf die Ostsee hinaus. Dicht gedrängt, schwer bewaffnet und medienwirksam: 50 Kriegsschiffe, 25 Kampfjets und über 9.000 Soldaten aus 17 Staaten werden unter dem Kommando der US Navy das alljährliche Kriegsspiel „BALTOPS“ veranstalten. Dieses Jahr ist Deutschland Gastgeber – nicht zum ersten Mal, aber diesmal symbolträchtiger denn je. Denn dieses Großmanöver wird ausgerechnet im 35. Jahr des Zwei-plus-Vier-Vertrags eröffnet. Jenes Vertrags, der 1990 den Weg zur sogenannten deutschen „Wiedervereinigung“ markierte – und in dem die NATO, schwarz auf weiß, versprach, sich keinen Zentimeter nach Osten zu bewegen.
Und heute? Marschiert sie nicht nur gen Osten – sie übt schon an den russischen Grenzen das nächste Großfeuer. Im Namen der „regionalen Stabilität“, versteht sich.
Was da unter dem Kürzel „BALTOPS“ daherkommt, ist kein friedliches Planspiel. Es ist imperialistische Kriegsvorbereitung unter US-Führung, die an Dreistigkeit kaum zu überbieten ist. Mitten in einer Phase höchster geopolitischer Spannungen lassen sich die NATO-Staaten an der russischen Haustür blicken – mit Minenjagdbooten, Luftverteidigungssystemen, U-Boot-Abwehr und amphibischen Landungen. Klartext: Sie proben den Krieg.
Und sie tun es nicht irgendwo. Sie tun es in der Ostsee, in jenem Raum, der laut Zwei-plus-Vier-Vertrag ein Raum des Friedens sein sollte. Die NATO will das längst nicht mehr hören – doch wer damals die Vertragsdokumente aufmerksam las, weiß: Deutschland wurde in seine Souveränität entlassen unter der Bedingung, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen dürfe. Was sagt es aus, wenn nun deutsche Häfen – ausgerechnet Rostock – als Startrampe für ein Militärmanöver dienen, das klar auf Konfrontation ausgerichtet ist?
Derweil werden Pressevertreter auf eine Barkasse geladen, um hübsche Schnittbilder von Korvetten und Fregatten einzufangen – als wäre Krieg ein PR-Event. Auftritt: Konteradmiral Abry, flankiert vom Vizeadmiral der US Navy und einem NATO-General. Ein deutsch-amerikanischer Schulterschluss auf Kommandoebene. Alles wirkt glatt inszeniert – man könnte fast meinen, es handle sich um ein Casting für eine Netflix-Militärserie.
Doch hinter dem martialischen Auftritt steht eine einfache Wahrheit: Die NATO will Russland in Schach halten, notfalls mit Feuerkraft. Sie testet, wie gut ihre Truppen, Schiffe und Kommandostrukturen im Ernstfall funktionieren – und macht nebenbei deutlich, wer das Sagen hat. Deutschland darf liefern, bereitstellen und mitmarschieren. Die politische Entscheidungsmacht liegt längst nicht mehr in Berlin, sondern in Brüssel, Washington und im NATO-Hauptquartier in Mons.
Dass dabei auch deutsche Kriegsschiffe wie die „Bayern“, „Braunschweig“ oder „Magdeburg“ mit auf Patrouille gehen, ist Teil der neuen Normalität. Es ist der gleiche Militarismus, der auch an Schulen für den „Freiwilligen Wehrdienst“ wirbt, der Reservisten aufrüstet und jungen Menschen erzählt, Verteidigung beginne am Dnjepr. Und es ist die gleiche Bundeswehr, die sich nun – ganz freiwillig, versteht sich – zur Speerspitze der NATO in Osteuropa machen lässt.
BALTOPS ist nicht nur ein Manöver – es ist ein Testlauf für die militärische Eskalation, eingebettet in eine imperialistische Strategie, die unter dem Deckmantel von Sicherheit und Abschreckung operiert. Wer aber glaubt, das sichere den Frieden, hat nichts aus der Geschichte gelernt.
Der Zwei-plus-Vier-Vertrag ist zur politischen Staffage verkommen – ein Papier, das im Schaukasten liegt, während auf dem Atlantik die nächste Aufmarschroute geplant wird.
Die Frage, die bleibt: Wie lange lassen wir uns noch erzählen, dass deutsche Kriegsschiffe der „Stabilität“ dienen, während sie gemeinsam mit US-Zerstörern offensive Manöver fahren? Wie lange schlucken wir noch die Rhetorik von „Verteidigung“, wenn längst klar ist, dass hier Krieg vorbereitet wird – gegen einen Gegner, der zu einem dauerhaften Feindbild stilisiert wird?
Wer Frieden will, muss die Teilnahme Deutschlands an solchen Kriegsspielen ablehnen. Und wer ernst nimmt, was 1990 versprochen wurde – muss sagen:
BALTOPS? Nicht in unserem Namen. Nie wieder Krieg von deutschem Boden. Auch nicht in Tarnfarbe.