Teil 2: Die Macht der Gewerkschaften – FDGB gegen DGB
Wenn die Herrschenden der BRD vom „SED-Unrechtsstaat“ sprechen, meinen sie in Wahrheit: Es war eine Gesellschaft, in der Gewerkschaften nicht
Wenn die Herrschenden der BRD vom „SED-Unrechtsstaat“ sprechen, meinen sie in Wahrheit: Es war eine Gesellschaft, in der Gewerkschaften nicht dekoratives Beiwerk, sondern Machtfaktor waren. Das ist ihr Albtraum. Denn was hierzulande als „Sozialpartnerschaft“ verklärt wird – sprich: die Kapitalseite diktiert, der DGB darf dazu eine Presseerklärung verfassen – war in der DDR schlicht unmöglich.
Artikel 44 der DDR-Verfassung: Gewerkschaften als Machtzentrum
Schwarz auf weiß hieß es: „Die Gewerkschaften sind die umfassendste Klassenorganisation der Werktätigen. Sie nehmen an der Gestaltung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft teil.“ Keine Alibifunktion, kein Betteln um Prozente – sondern gesetzlich garantierte Mitbestimmung auf allen Ebenen .
FDGB: Von der Lohnfrage bis zur Rente – alles in einer Hand
Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) verwaltete nicht nur Streikkassen oder Rechtsberatung, sondern das gesamte Sozialwesen: Krankenkassen, Renten, Unfallversicherung. Finanziert nicht aus dem „Goodwill“ der Unternehmer, sondern aus den Gewinnen der volkseigenen Betriebe. Dazu Betriebskollektivverträge (BKV): jährliche Vereinbarungen zwischen den Besitzern der Produktionsmittel – also den Werktätigen selbst – und den Leitern der Betriebe. Jeder konnte mitreden, jeder bekam das Ergebnis nach Hause. Planung, Löhne, Urlaub, Investitionen – schwarz auf weiß, verbindlich .
Das war keine „Funktionärsdiktatur“, sondern praktische Demokratie am Arbeitsplatz. Oder wie man damals sagte: „Arbeite mit – plane mit – regiere mit!“ – kein Wahlkampf-Gesäusel, sondern Alltag .
Und im Westen? DGB als Tiger ohne Zähne
Heute darf der DGB stolz verkünden, dass er „kritisch begleitet“, wenn die Regierung die Rente auf 67 hochschraubt. Eine jämmerliche Karikatur seiner eigenen Geschichte: 1916 rang die Arbeiterbewegung die Senkung des Rentenalters auf 65 Jahre durch – mitten im Krieg. 2007 dagegen klagte man brav vorm Bundesverfassungsgericht und verlor. Ergebnis: Altersarmut als Massenphänomen .
Dass Westerwelle (FDP) damals von „Diktatur der Gewerkschaften“ sprach, weil die Nachwehen der DDR in den Köpfen der Werktätigen spürbar blieben, sagt alles. Für die Kapitalisten war es schon Diktatur, wenn Gewerkschaften überhaupt ernstzunehmende Macht hatten.
Warum also der Hass auf den FDGB?
Weil er bewiesen hat, dass Gewerkschaften mehr sein können als Betriebsratsverlängerung. In der DDR bedeutete Gewerkschaftsarbeit: soziale Sicherheit, Null Arbeitslosigkeit, planbare Zukunft. In der BRD bedeutet sie: Sozialabbau im „Dialog“ managen, während Konzerne Rekordprofite und Massenentlassungen gleichzeitig fahren.
Das Kapital hasst Erinnerung. Deshalb werden Kinder heute in Schulen mit „SED-Diktatur“-Parolen vollgetextet, statt zu erfahren, dass ihre Eltern und Großeltern in einer Gesellschaft lebten, in der Gewerkschaften tatsächlich regierten.
Agit-Kasten für jede Diskussion •„FDGB = Staatsgewerkschaft“ – Ja. Und das war auch richtig so: endlich Staat in der Hand der Arbeiterklasse, nicht im Dienste der Konzerne. •„Keine Streiks!“ – Stimmt. Wozu auch, wenn Recht auf Arbeit, Mitbestimmung und Sozialwesen garantiert sind? Streiks gegen die eigene Klasse wären absurd gewesen. •„Demokratie?“ – In jedem BKV stand schwarz auf weiß, was die Belegschaft für ein Jahr beschlossen hatte. Hast du heute so ein Papier in der Hand? Nein.